Bericht zur Wanderung vom Sonntag den 07.05.2023 von Willi Habitzl!
Nachdem der Zug aus Wien pünktlich sein Ziel am Bahnhof in Retz erreicht hatte, war meine Überraschung sehr groß. An diesem sonnigen Sonntagmorgen stiegen 32 Personen, die alle mit Rucksack und Wanderstöcken bewaffnet waren, aus dem Zug. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie alle gekommen waren, um sich meiner Wanderung anzuschließen. Nach einer kurzen Begrüßung, hatten wir schon nach ca. 5 Minuten den malerischen Hauptplatz von Retz erreicht. Ich gab mir große Mühe den interessierten Teilnehmern einen kurzen Überblick über die Geschichte der Stadt Retz, deren Bürger vor allem durch den Handel mit Wein sehr wohlhabend geworden sind, zu verschaffen. Das Rathaus mit seinem imposanten gotischen Turm dominiert den Hauptplatz und wäre einen Besuch wert gewesen, da sich dort im Ratssaal Fresken befinden, an denen der später als „Kremser SCHMIDT“ bekannt gewordene Martin Johann Schmidt als Lehrling gearbeitet hat. Auch befindet sich dort ein Eingang zum Retzer Erlebniskeller. Das Netzwerk der unterirdischen Kellerröhren ist dichter als das oberirdische Straßennetz. Ich habe erst vor zwei Wochen an einer Führung in die Unterwelt von Retz teilgenommen. Neben der Pestsäule, der Dreifaltigkeitssäule, dem eindrucksvollen Sgraffito Haus, zieht vor allem das Verderber Haus die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Der seltsame Name dieses, aus drei spätgotischen Häusern entstandenen zinnenbekrönten Gebäudekomplexes im venezianischen Baustil, leitet sich von seinem späteren Eigentümer, Thomas Verderber ab, der aus dem Gottscheer Land (heute zu Slowenien gehörend) nach Retz kam. Der Handel mit Wein und Tuch hat dem Zuwanderer, aber auch der Stadt Retz, alles andere als „Verderben“ gebracht, da er seinen Reichtum auch für wohltätige Zwecke verwendet hat. Eine leider nur sehr selten anzutreffende Charaktereigenschaft.
Unser Weg führte uns nun durch das Znaimer Tor über den Anger, wo noch vor der Gründung von Retz mehrere Bauernsiedlungen lagen, die schon damals im Mittelalter als Altstadt „ Recze“ bezeichnet und später 1941 in die Stadtgemeinde eingegliederten wurden. Wir erreichten schließlich das Ortsende von Retz und gingen durch die zahlreichen Weingärten einem bewaldeten Höhenzug entgegen, den man auch unter der Bezeichnung Manhartsberg kennt. Dieser langgestreckte Höhenzug bildet als solcher die natürliche Grenze zwischen dem Weinviertel und dem Waldviertel. Als wir das Plateau dieses Höhenzuges erreicht hatten, machten wir am Waldrand auf einer Wiese eine kleine Mittagspause. Vor uns lag nun eine ganz andere, vornehmlich von Wäldern und Wiesen durchzogene Landschaft. Wir befanden uns nun im Waldviertel. In der Ferne konnten wir das kleine, malerisch in die Landschaft eingebettete Dorf Niederfladnitz sehen. Nachdem wir unsere Mittagspause beendet hatten, bogen wir am Waldrand nach links ab und folgten dem Waldweg, der uns nach Hofern führte. Dort gingen wir ein kurzes Stück neben dem Gleis der Lokalbahn Retz-Drosendorf. Nach Einstellung des Personenverkehrs wird die Strecke heute als Nostalgiebahn unter dem Namen „Reblaus-Express“ touristisch genützt. Kurz nachdem wir die Gleise dieser Bahn überquert hatten, wurde die Stille der Landschaft tatsächlich durch das Rattern eines solchen Zuges unterbrochen. Zahlreiche gutgelaunte Fahrgäste winkten uns aus dem Zug zu. Schließlich erreichten wir das Wahrzeichen von Retz; die Windmühle. Sie ist eine der beiden letzten, betriebsfähigen und vollständig eingerichteten Mühlen dieser Art in Österreich. Auch Führungen werden dort angeboten. Am Fuße dieser Windmühle kehrten wir in einen der schönsten und modernsten Heurigen des Weinviertels ein.
Der Gastgarten bot genug Platz für unsere große Wandergruppe. Ein großer Dank gebührt der Wirtin dieses Top Heurigen. Trotz verspäteter Anmeldung wurden wir dort freundlich empfangen und gut bedient. Nachdem wir das gute Essen und Trinken genossen hatten, verabschiedeten wir uns voneinander. Ein Teil der Gruppe besuchte am Hauptplatz von Retz noch einen Eissalon und versüßte sich auf diese Weise den Abschied von dieser schönen Stadt im Weinviertel.
Weglänge: 15 km, 313 Hm, Gehzeit 4 Stunden.